»Eine gute Afrobeatplatte lebt vom Rhythmus«, sagt Gabriel Roth, Mitbegründer von Daptone Records, Produzent und Funk-Connaisseur. »Nicht nur von der Rhythmusgruppe, sondern auch dem Rhythmus der Bläser, dem Rhythmus des Gesangs, dem Rhythmus der Tasteninstrumente, den Rhythmus in allem. Es geht nicht darum, ob du deinen Rhythmus richtig oder falsch spielst, oder ob du gut darin bist, sondern darum, ein Gefühl zu teilen, auf derselben Wellenlänge zu sein, Dinge auf dieselbe Art zu antizipieren, sie auf dieselbe Art anzugehen — Musik auf dieselbe Art zu hören und sämtliche Instrumente zu einer gemeinsamen Stimme zu formen.Antibalas ist augenblicklich die einzige Band, der das gelingt. Das ist der Grund, warum sie auch noch nach so vielen Jahren ganz vorne mitmischen.«
Vierzehn Jahre nach ihrem ersten Auftritt und fünf nach Erscheinen ihres letzten Album Security, 2007, sind Antibalas — die Pioniere des zweiten Afrobeat-Frühlings — 2013 mit ihrem Schlicht Antibalas betitelten Album zurück. Das sowohl eine flammendes Bekenntnis zum musikalischen Miteinander als Kraftquell des New Yorker Ensembles, wie auch eine eindrucksvolle Fortführung der von ihnen bekannten Exkursionen in das, was Antibalas-Gründer und –Bariton-Saxofonist Martin Perna, ihre Funky-Schatzkammer der geheimnisvollen Sounds und des Wissens nennt.
»Wir haben mit verschiedenen Album-Titeln herumgespielt«, erläutert Perna, »aber wir konnten uns alle auf Antibalas einigen. Wir sind immer schon ohne wenn und aber wir selbst gewesen, auf diesem Album schnörkelloser denn je. Wer noch nie ein Album von uns gehört hatte, der sollte sich dieses zuerst zulegen.«
»In musikalischer Hinsicht sind wir als Band gewachsen«, sagt Trompeter Jordan McLean, »Wir haben noch nie so viel Spaß zusammen gehabt, wir atmen im gleichen Rhythmus, die Strukturen der Kompositionen und der Sound als solches sind tighter und die Band klingt besser als je zuvor.«
Antibalas wurde unter der Regie von Roth über einen Zeitraum von zwei Wochen in Daptones House of Soul-Studio in Brooklyn aufgenommen. Es ist das erste Antibalas-Album, das auf Daptone Records erscheint — damit schließt sich für die Band ein Kreis. Antibalas haben in ihrer langen Geschichte immer schon diverse Mitglieder mit anderen Acts des Daptone-Rosters geteilt (darunter Sharon Jones and the Dap-Kings, Menahan Street Band und The Budos Band) und Roth ist nicht nur Gründungsmitglied der Band sondern hat auch ihre ersten drei Alben produziert. »Diese Platte aufzunehmen war, als würde man in der Zeit zurückreisen und mit seinen alten Highschool-Kumpels Basketball spielen«, sagt er.
Das Familientreffen-Feeling auf Antibalas wird noch verstärkt durch die Rückkehr des Originalgitarristen Luke O’Malley der mit »Dirty Money« den temperamentvollen Eröffnungssong des Albums beisteuerte. Luke O’Malley hat ein fantastisches musikalisches Gespür«, sagt Tenorsaxofonist Stuart Bogie,» und ›Dirty Money‹ ist dafür das perfekte Beispiel. Aber er ist auch einfach ein irrsinnig witziger und inspirierender Mensch, der allem, was er anfasst, eine unglaubliche Energie mitgibt. Er trägt maßgeblich dazu bei, dass wir alle so miteinander harmonieren.«
»Wir haben nicht nur eine sehr enge musikalische sondern auch persönliche Bindung«, sagt Perna. »Diese Gemeinschaft existiert als Antibalas inzwischen vierzehn Jahre. Und wenn man zurückgeht bis in jene Zeit, als Luke, Gabe und ich mit der gemeinsamen Musik begonnen haben, dann landet man im Jahr 1994.«
Laut Perna begannen sowohl Antibalas, als auch TV on the Radio und The Dap-Kings ihre Karrieren in der gleichen Wohnung. Einem alten Fabrik-Loft in der Havemeyer Street in Williamsburg. » Gabe, Tunde Adebimpe und ich wohnten alle dort, als wir Antibalas aus der Taufe hoben. Die Dap-Kings nannten sich damals noch Soul Providers. Tunde hatte gerade die Uni beendet und machte damals Animationsfilme. Wir spielten mit einem Vierspurrekorder rum und nahmen erste, kleine Songs auf. Dann zog David Sitek bei uns ein und er und Tunde fingen an, gemeinsam Musik zu machen. Diese kleine Bude war also so reich an Freundschaft und kreativer Vorstellungskraft, dass sich die miteinander geteilten Anstrengen in drei Bands manifestierten, die auf ganz unterschiedliche Weise einen enormen Einfluss auf die zeitgenössische amerikanische Musikszene haben.
Von Perna ursprünglich als Kreuzung der NY-Latin-Funk-Grooves von Eddie Palmieri, Harvey Averne und Mandrill mit und den Afrobeat Jams Fela Kutis konzipiert, verlagerte sich in der Musik von Antibalas mit der Zeit das Gewicht immer mehr auf Felas Seite der Gleichung. Als wir uns eingehender mit Afrobeat beschäftigten, wurde uns klar, dass wir mit zu vielen Dingen auf einmal herum jonglierten und uns mehr auf eine Sache konzentrieren sollten«, erinnert sich Perna.
»Damals war das Interesse an Afrobeat, selbst an Fela Kuti, nicht sonderlich groß«, ergänzt Roth. »Antibalas wurden deshalb von vielen als Wegbereiter der zweiten Afrobeat-Welle gesehen. Heute gibt es großartige Afrobeat-Bands in Brasilien, Chicago, England, auf der ganzen Welt, und ich glaube, dass viele dieser Band — neben Fela natürlich — Antibalas als einen ihre wichtigsten Einflüsse betrachten.«
Durch ihre Konzerte, Touren und Platten halfen Antibalas den klassischen Afrobeat-Sound wieder zu größerer Popularität und verdienten sich dabei die Bewunderung vieler respektierter Kollegen von Questlove über David Byrne bis hin zu Fugazis Ian McKaye und John Frusciante von den Red Hot Chili Peppers. Als gefragte musikalische Kollaborateure haben Studio und Bühne mit Künstlern wie Medeski Martin & Wood, Roots, Public Enemy, Paul Simon, Amadou and Mariam und Felas Sohn Femi Kuti geteilt — um nur einige zu nennen.
2007, nach Erscheinen ihres letzten Albums Security führte die Ruf der Band als Afrobeat-Institution zur Beteiligung diverser Mitglieder — darunter Posaunist Aaron Johnson und Jordan McLean, der musikalischer Direktor respektive Stellvertretender Musikalischer Direktor fungierte — an Fela!, Bill T. Jones’ Musical über das Leben Fela Kutis, ein Riesenerfolg am Broadway, mit elf Nominierungen für den Tony Award von denen es drei gewann.
Aber Fela! War nicht das einzige Projekt das Antibalas zwischen Security und den Sessions für das neue Album auf Trab hielt: Neben den rund fünfzig Live-Auftritten, die sie jährlich rund um den Globus absolvierten, haben die einzelnen Musiker der Band mit TV on the Radio, Iron and Wine, Amy Winehouse, Mark Ronson, Sharon Jones & the Dap-Kings, The Roots, Angelique Kidjou (deren 2007er Album Djin Djin den Antibalas-Bläsern einen Grammy bescherte), Ornette Coleman, David Byrne, Mike Snow, St. Vincent, Gomez, Wale, Spoon, The Black Keys, Imogen Heap, Lee Fields, Melvin Gibbs und der Budos Band gemeinsam aufgenommen oder auf der Bühne gestanden. Die verbliebene Zeit investierten sie in eigene Nebenprojekte (bzw. die der jeweils anderen Bandmitglieder) wie Ocote Soul Sounds, Superhuman Happiness, Piano Music & Song Trio, Chico Mann, Sierra Leone’s Refugee All Stars, Sugar Minott und Fu-Arkist-Ra.
Während dieser letzten fünf Jahre, haben wir immer noch alle zusammen gespielt, bloß nicht als Antibalas«, erklärt Martin Perna. »Wir waren weiterhin ein eingeschweißtes Team, hatten die Gelegenheit, die gemeinsame Freundschaft, das Vertrauen ineinander weiter auszubauen, dieses blinde Verständnis zu entwickeln, das entsteht, wenn Musiker so lange Zeit zusammenspielen. Es hieß nie: ›Na dann, bis in fünf Jahren. Von einer Re-Union der Band zu sprechen, wäre deshalb einfach nicht richtig — denn wir haben uns nie getrennt, wir hatten bloß genug mit anderen Dingen zu tun.«
Dieses blinde musikalische Verständnis ist auch auf Antibalas, das größtenteils live auf einer Achtspurmaschine aufgenommen wurde, jederzeit greifbar. »Es gibt so gut wie keine Overdubs«, verrät Roth. Ein paar wenige Background Vocals, vielleicht hier und dort mal eine kleine Sologitarre, aber im Großen und Ganzen ist es Live. Die frühen Antibalas-Platten habe ich auf sechzehn Spuren aufgenommen, aber diese hier ganz bewusst auf acht, was nur möglich war, weil die Band spielerisch besser ist als je zuvor. Ich konnte die verschiedenen Instrumentalisten miteinander kombinieren ohne mir Sorgen machen zu müssen, wie ich die einzelnen Parts hinterher auseinander dividiert und bereinigt bekomme, denn dieses Jungs sind die Besten in ihrem Job und sie spielten von Anfang an auf einer Wellenlänge.«
Tracks wie »The Rat Catcher«, »Him Belly No Go Sweet« und »Ibeji« sind exemplarisch für die telepathische Magie zwischen den Bandmitgliedern, ihr niemals nachlassendes Gespür für mitreißende Grooves, und lassen keinen Zweifel, dass Antibalas ihr bisher prägnantestes und fokussiertestes Werk ist. Vom dynamischen Spiel der neuen Rhythmusgruppe (Schlagzeuger Miles Arntzen und Bassist Nikhil Yerawadekar) bis zum löwenhaften Fauchen des langjährigen Frontmannes Amayo klingt die Band geschlossener und selbstbewusster denn je.
»Was uns ticken lässt und was jede Band überhaupt erst zur Band macht, ist eine gemeinsame Vorstellung davon, was unser Sound ist«, sagt McLean. »Und dann natürlich, auf einem individuellen Level, geht es natürlich darum, was jeder Musiker in die Band mit einbringt, um deren ganz speziellen Sound zu entwickeln. Wir teilen dieselben Ideen von Afrobeat und von Felas Musik, aber da sind auch diese zehn oder zwölf Charaktere, die ihren eigenen Herzschlag, ihre eigene Perspektive, ihre eigene Erfahrung mit einbringen, und erst das alles zusammenzubringen, macht am Ende Antibalas aus.«
»Wir lieben den Afrobeat, diese Musik ist uns sehr, sehr wichtig, sie bekommt immer noch nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient«, fährt er fort. »Anders als bei der meisten anderen Musik, wo sich alles ums Ego dreht, ein totaler Personenkult betrieben wird, mussten wir alle lernen mit sehr speziellen Anforderungen zurechtzukommen — auf gewisse Weise wurde jeder in der Band zum Drummer. Wir spielen unsere Parts vielleicht auf Melodieinstrumenten, aber sie sind Teil dieses großen, eng verwobenen Netzes, das die Musik trägt.«
»Das Interessante an Antibalas ist, dass die Band wirklich ein mehrköpfiges Ungeheuer ist«, sagt Stuart Bogie, der Tenorsaxofonist von Antibalas. »Die letzte Nummer auf dem Album ist ›Sare Kon Kon‹ und dieser Song hat eine kinetische Energie, die niemals nachlässt. Der Text lautet in etwa ›Wir rennen, wir rennen, wir wissen nicht wo hin, aber alle rennen immer weiter‹. Das beschreibt gewissermaßen diese vorwärtsstürmende Energie, die diese Band zusammenhält. Bildlich gesehen, befinden wir uns alle auf demselben Zug. Ohne Zugführer, Heizer, Bremsen, alle müssen mit und es gibt kein Halten.«
»Es ist schon irgendwie mysteriös«, fährt er fort, »Antibalas ist definitiv ein Band die mehr ist, als bloß die Summe ihrer Teile. Diese Gemeinschaft eine der authentischsten Anarchien, die ich je in einer Band erlebt habe. Ich schätze, das ist es vor allem, was diese Band so interessant und so anders macht. Aber ich glaube auch, dass es letztendlich die Essenz unserer Musik und unserer Liebe zu ihr ist, die uns wirklich zusammenschweißt.«