Mamas Gun

Cheap Hotel ist das dritte Album von Mamas Gun, der nach einem Album von Erykah Badu benannten Londoner Band, deren erste beiden Longplayer — Routest to Riches (2009) und The Life and Soul (2011) — sie in Japan und Südostasien zu Stars machte sowie ihnen begeisterte Kritiken in ihrer britischen Heimat und ganz Europa bescherte.

Cheap Hotel ist ein moderner Klassiker voll mit Retro-Funkadelia, Soft-Rock-Arrangements und knackig-süßem Pop’n’Soul, der sich in Sachen Produktion vor den Beatles verneigt während sein Melodiegefühl und die pure, unverdorbene gute Laune, die dieses Album durchweht, an Stevie Wonder erinnert. Das Album ist eine freudestiftende Sammlung großartiger Songs — nichtsdestotrotz raten wir beim Hörgenuss zur Vorsicht: Diese Songs haben Widerhaken. Sie haben diese geniale Eigenschaft, die nur den besten Popsongs zu eigen ist: Unter ihrer zuckersüßen Oberfläche verbergen sich durchaus kritische Inhalte.

Mehr Spaß als mit Cheap Hotel werdet ihr beim Musikhören so bald nicht wieder haben. Außerdem markiert das Album einen riesigen Schritt vorwärts in der fünfjährigen Geschichte von Mamas Gun. Nicht, dass sie bisher keinen kreativen und kommerziellen Erfolg gehabt hätten — ganz im Gegenteil. Was Sänger, Komponist und Bandkopf Andy Platts — dessen Falsettgesang nicht von ungefähr an Prince erinnert und der maßgeblich für das Bouquet an Ohrwurmmelodien verantwortlich ist — schon alles auf die Beine gestellt hat, reicht für mehrere Karrieren. Sein Vater arbeitete für Interpol, aber statt in seine Fußstapfen zu treten und in Hongkong gegen Triaden-Gangster zu kämpfen, studierte er an Paul McCartneys Liverpool Institute of Performing Arts. Er gründete eine Band mit Steffan Halperin von den Klaxxons, spielte auf Corinne Bailey Raes Debüt-Album, nahm an Songwriting-Sessions mit Größen von Rod „Thriller“ Temperton über John Oats bis zu Jed Lieber (dem Sohn der Rock’n’Roll-Legende Jerry Lieber) und Gil Scott-Herons Sidekick Brian Jackson teil, und schrieb einen Nummer-1-Hit für den koreanischen Künstler und American-Idol-Semifinalisten John Park. Mamas Gun waren währenddessen auf Tour mit De La Soul, Raphael Saadiq und Taio Cruz. Ihr Debütalbum wurde in Los Angeles von Joseph Puig (Black Eyed Peas, U2, The Rolling Stones) gemischt und Album Nummer 2 von dem preisgekrönten schwedischen Studio-Genie Martin Terefe (Jason Mraz, Mary J Blige) produziert. Oh, und sie waren 2009 der meistgespielte Act im japanischen Radio — vor Madonna.

Mamas Gun -cheap hotel packshot

Mamas Gun – Cheap Hotel erscheint am 29. Mai bei Candellion.

Cheap Hotel war alles andere als eine schwere Geburt, vom sogenannten Dritten-Album-Syndrom keine Spur. Und das, obwohl die Band mit dem 21-jährigen Cameron Dawson einen neuen Bassisten anheuerte, der das bestehende Line-up, bestehend aus Andy Platts (Vocals), Dave Oliver (Keyboards), Terry Lewis (Gitarre) und Jack Pollitt (Drums), ergänzte. Laut Andy war die Band stärker am Songwriting-Prozess beteiligt als bisher, weshalb es etwas länger als gewöhnlich dauerte, bis Cheap Hotel im Kasten war. „Wir wollten Cameron das Gefühl geben, dass das Material auch seins ist“, erklärt er. Mamas Gun hat sich von einer Band mit einem Hauptsongwriter in Richtung einer kreativen Demokratie entwickelt. Diesmal ging es mehr um die Zusammenarbeit und, dass die Chance bekommt, seine Ideen zur Sprache zu bringen.

Fragt man ihn, dann haben sich Mamas Gun von Album zu Album weiterentwickelt: „Das erste war ein klassisches Debütalbum, an dessen Songs man sein ganzes Leben geschrieben hat. Manche trägt man schon seit Jahren mit sich herum, und man will sie alle umsetzen, also packt man alles, inklusive der Kitchen-Sink-Nummer hinein“, lacht er. „Es ist eine Collage aus Samples und live eingespielten Parts, und es hat eine Naivität und Frische, die nur schwer zu wiederholen ist.“

Er fährt fort: „Beim zweiten Album hatten wir schon live gespielt und wollten diesen Live-Sound einfangen. Es hat definitiv eine gewisse 70er-Ästhetik, mit seinen fetten, trockenen, heavy Snare-Drums und den für diese Ära typischen Akkordfolgen. Mein Lieblingssong darauf ist „The Art“.

Die Band ist sich einig darin, dass der Sound dieses Tracks — man stelle sich eine Stevie-Wonder-Ballade von 1973 mit Streichern von George Martin vor — Mamas Gun auf den Punkt bringt, wie bis dahin kein anderer Song. „Das war die Idee dabei“, sagt Andy, „denn das ist es, was uns am meisten begeistert: Das prägnante Songwriting des Pop mit der Leidenschaft des Soul zu verbinden.“

Während gerade der Fokus voll und ganz auf Mamas Gun liegt, finden die Jungs zwischen den Alben immer noch Zeit für andere Dinge.

Andy betreibt ein Nebenprojekt in den USA, eine Psychedelic-Soul-Band namens Young Gun Silver Fox, und arbeitet als Songwriter und Musiker nicht nur mit Künstlern aus Europa und Großbritannien, sondern auch den Mamas-Gun-Hochburgen Japan und Korea. Jack hat unterdessen mit Pharrell Williams an Beyonces „Green Light“ gearbeitert, Terry in den USA mit Soul-Legende Leon Ware gespielt und Dave war als Musical Director für Lisa Stansfield tätig, die begeisterter Fan von britischem Soul ist.

Auf ihrem eigenen Label Candelion veröffentlicht (vertrieben von Universal und an Myriaden von Labels rund um den Globus lizensiert), wurde Cheap Hotel von Julian Simmons produziert, der auch für die ersten drei Alben von Ed Sheeran verantwortlich zeichnet.

Engineer war Jon Kelly, der bei Geoff Emerick, dem Engineer der Beatles gelernt hat und auch an den ersten drei Alben von Kate Bush mitgearbeitet hat.

„Er ist ein fantastischer Engineer“, lobt ihn die Band. „Er hat geholfen, den Sound von Cheap Hotel auf den Punkt zu bringen und Julians Produktion mit Leben zu füllen.“

Er verrät, dass die Band im Vorfeld der Produktion „einen Haufen unterschiedlichster Musik gehört hat, darunter die naheliegen Soul-Referenzen, aber auch von ganz anderen Sachen inspirierte wurde, wie etwa Prince, Talking Heads, The Beatles, Bowie … Es sind einige recht unkonventionelle Einflüsse in die Produktion eingeflossen. Wir alle bringen eine Menge mit ein, und was davon hängenbleibt, bleibt eben hängen.“

Man hört Cheap Hotel diese zahllosen Einflüsse an: Hier eine Strophe, die an Hall & Oats erinnert, da ein Chorus der nach ELO klingt; ein Hauch Prince und eine gesunde Dosis Stevie Wonder. Andy erklärt, woher der Titeltrack und der Albumtitel kommen: „Es war der Track, den wir alle schillernd genug fanden, und von dem wir überzeugt waren, dass er auch auf den Rest des Albums neugierig macht. Der Song handelt von einem Hotel in Amsterdam, wo ich übernachtet habe, als ich mit einem niederländischen Künstler Songs geschrieben habe. Es war wirklich das absolute Klischee: Im Zimmer links von mir hatte eine der vielen Nutten dort höllisch lauten Sex, recht schrien zwei Babys um die Wette. Überall waren Fliegen und Dreck. Es war grauenhaft, also haben wir es in einem humoristischen Song verarbeitet. Was die Musik betrifft, geht es ganz bewusst Richtung Prince — wir haben keine Scheu, uns vor der Musik zu verneigen, die uns begeistert oder unsere Einflüsse offen zu zeigen.“