ONE SENTENCE.SUPERVISOR – ACEDIA

„The song Acedia is like a summary of the record. It deals with ambivalent feelings towards the privileges of living in a wealthy western democracy, enjoying cheap fuel, food and likes, sensing that the costs of my lifestyle are actually higher than it says on the bill.“ – DONAT KAUFMANN

BIOGRAFIE

«Acedia» heisst Zweifel, Erschöpfung der Seele, ein von Innen angefaulter Glaube. «Acedia» heisst das dritte Album von One Sentence. Supervisor. Das Phänomen Acedia hat seinen Ursprung im Mittelalter. Ins Heute übersetzt liesse sich Acedia als das dumpfe Unbehagen beschreiben, das dich überfallen kann, wenn du übers Wochenende für 25 Euro nach Barcelona fliegst und auf dem Weg zur Strandbar zufällig in eine Klimademo gerätst. Denn im Grunde wissen wir doch: Unser Lifestyle ist eine Farce, und sein Preis viel höher, als wir es jemals erfassen können. Doch wie verhalten wir uns zu unseren Privilegien? Was geht uns die Welt überhaupt an?

One Sentence. Supervisor sind neu zu fünft, und sie bringen uns neue Lieder. Mit «Acedia» rhythmisieren One Sentence. Supervisor Hoffnungen, Ängste und Ohnmacht. Dringlicher kann Popmusik heute nicht sein.

Eine Geschichte aus dem 4. Jahrhundert berichtet von einem Mönch, der es in seiner Zelle nicht mehr aushält: Sie wird ihm zu eng und die Mittagshitze unerträglich. Zweifel breiten sich in ihm aus, Langeweile und Widerwillen gegen das geistliche Leben übermannen ihn. Doch dieses Leben eintauschen gegen die Ungewissheit, die ihn jenseits der Kirche erwartet? Der Mönch bleibt, zu viel steht auf dem Spiel. Und mit ihm bleibt die Ambivalenz, die innere Zerrissenheit zwischen Glaube und Zweifel.

Dieser Zustand heisst «Acedia», und der Begriff kursierte hauptsächlich im frühen Mittelalter. Die Acedia war gefürchtet, denn sie galt als Vorstufe zur Todsünde: In den Zweifeln, die vor allem in den endlos scheinenden Mittagsstunden aufkamen, erkannten die Mönche den Teufel höchstpersönlich: Acedia erhielt den Übernamen «noon day devil». Somatische Anzeichen von Acedia reichen von Schläfrigkeit über das Unvermögen, in der Gegenwart leben und die Zukunft bewältigen zu können, bis hin zur Unempfindlichkeit gegenüber der eigenen Erscheinung, dem Wohl der Gesellschaft, dem Wohl der Welt.

Es gibt keinen besseren Titel für das neue, dritte Album von One Sentence. Supervisor. Denn «Acedia» ist in unserer gegenwärtigen Situation nicht nur ein individualpsychologisches Phänomen, sondern auch ein sozialpsychologisches: Wir sind mit rasanten gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüchen konfrontiert.

Im Kern steht die Frage: Wie antworten wir als Individuen auf die Wucht globaler Krisen – beispielsweise den Klimawandel –, in die wir mit unserem Handeln so unglücklich verstrickt sind? Eine Introspektive inmitten von Klimaturbulenzen, und uns fehlt von Grund auf der Glaube. Denn hören wir in uns hinein, so spüren wir die Irritation des nagenden Zweifels: Wissend, dass unsere Konsumkultur einen viel höheren Preis hat, als wir ihn gegenwärtig bezahlen, können wir uns doch nicht davon wegbewegen. Mit «Acedia» rhythmisieren One Sentence. Supervisor unser Taumeln zwischen Angst, Ohnmacht und Hoffnung.

Diese Unruhe wird im Titelsong «Acedia» sehr gut transportiert: Don’t be alarmed, tell Ma I’m alright, I am almost not harmed – my tears are from yawning, singt Donat Kaufmann und wird von der Rhythmussektion angetrieben. Später geht es in den tribal-artigen Refrain über, der dem Zweifel Ausdruck verleiht: What if, und es öffnet sich ein kleines Fenster in eine Utopie, I let the noon day demon take over the night? – Was, wenn ich den Zweifeln nachgebe?

One Sentence. Supervisor sind schon immer durch smarten Aktivismus aufgefallen, genauso wie durch ihre Teilnahme an aktuellen Diskursen und der (musikalischen) Aufarbeitung gesellschaftlicher Phänomene. So sprechen auch die neuen Pressebilder des Quintetts eine klare Sprache: Es handelt sich dabei um stock photos, also gestellte Bilder von stereotypen Vorstellungen. Die fünf Musiker*innen stellen darauf einmal eine «Rockband» und einmal «erfolgreiche Geschäftsmänner/-frauen*» dar. Auf ganz einfache Weise behaupten sie damit etwas, was nicht der Realität entspricht, aber die in unseren Köpfen vorherrschende Vorstellung illustriert.

One Sentence. Supervisor sind neu zu fünft: Der virtuose Oud-Spieler Bahur Ghazi, der die Band schon auf diversen Konzerten in den letzten zwei Jahren ergänzt hat und auch auf der letzten Single «Onomatopoeia» zu hören ist, ist nun festes Mitglied der Band. Ein neues Gesicht ist zudem hinter dem Schlagzeug zu erkennen: Die Multi-Instrumentalistin Sarah Palin (Phil Hayes And The Trees, Boytoy, JJ & Palin, u.v.m.), ersetzt Dominik Meuter am Schlagzeug. Produziert hat das neue Album der libanesisch/kanadische Produzent und Musiker Radwan Ghazi Moumneh (Hotel2Tango / Jerusalem In My Heart).

Zurück zu unserem Mönch aus dem 4. Jahrhundert: Er wurde für seine Acedia nicht zur Verantwortung gezogen, es wurde aber auch von ihm erwartet, sich dafür selber nicht ganz der Verantwortung zu entziehen. Es ist also ein Oszillieren, welches die Grenze der Zurechenbarkeit verwischt. Denn der gute Glauben hat einen Haken.


 

20190711_Acedia_front_cover.jpgKÜNSTLER: ONE SENTENCE.SUPERVISOR
ALBUM: ACEDIA
VÖ: 13.SEPTEMBER 2019
LABEL: IRASCIBLE

TOUR
27.09.2019 WAVES/WIEN AU
08.10.2019 MILLA/MÜNCHEN
09.10.2019 Z-BAU/MÜNCHEN
10.10.2019 ZUKUNFT AM OSTKREUZ/BERLIN
12.10.2019 MOLOTOW/HAMBURG
15.10.2019 SCHON SCHÖN/MAINZ
16.10.2019 MUSIKBUNKER/AACHEN

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