Avalanche Kaito: urban griot trifft auf Brüsseler Noise-Punk-Duo

Avalanche Kaito kündigen ihr selbstbetiteltes Debütalbum an, das am 10. Juni via Glitterbeat Records erscheint und veröffentlichen die erste Single Sunguru.

Avalanche Kaito: Ein burkinischer urban griot (Sänger und Multiinstrumentalist Kaito Winse) trifft auf ein Brüsseler Noise-Punk-Duo. Eine neue Verbindung, die sowohl traditionelles als auch futuristisches Wissen dekonstruiert. Das aufregende Ensemble veröffentlicht sein selbstbetiteltes Debütalbum kurz nach ihrer hochgelobten 4-Song-EP Dabalomuni (Januar 2022), die The Wire als “freaked, juddering electronic punk” bezeichnet. Eine geheimnisvolle Klangmatrix, in der disparate (aber seltsam kompatible) Klangstränge widerhallen: deepe Griot-Traditionen, Fugazi, Can, Zappa der 70er Jahre, Black Midi, der Vollgas-Schub von Nyege Nyege Tapes.

Avalanche Kaito definieren auf ihrem Debütalbum neu, was es heißt, mit den Alten zu sprechen, während sie sich in ein futuristisches Chaos aus Lärm stürzt. Dieses gleichzeitig kompakte und weitläufige Universum, in dem die mündlichen Traditionen des westafrikanischen Griot mit dem belgischen Post-Punk verschmelzen, ist mit jeder akustischen Explosion eine spürbare Erfahrung, jede Schicht eine Offenbarung. 

Der urban griot Griot und Multiinstrumentalist Kaito Winse (vocals, tama, peul flutes, mouth bow) traf zufällig auf die Brüsseler Noise-Punk-Musiker Benjamin Chaval (drums, electronics) und Arnaud Paquotte (bass) von der Gruppe Le Jour du Seigneur, nachdem ein Freund von ihnen in Burkina Faso Kaito Musik des Duos vorgespielt hatte. Über verschlungene Wege traf sich das Trio schließlich und begann mit der Entwicklung der Klangwelt aus uralten Sprichwörtern und dataistisch inspirierter Technologie, die das Album bestimmt. 

Obwohl das Album sechs Monate nach der Debüt-EP Dabalomuni erscheint, ist Nico Gitto, der Gitarrist dieser außergewöhnlichen Session, nun Teil der veränderten Formation; er ersetzt nicht Paquotte, sondern erweitert den Sound in eine andere Richtung. 

Die Dabalomuni-EP war ein kleines Fenster in ein größeres Universum aus animalischer Symbolik und allegorischen Geschichten, die unter einem reichhaltigen exotischen Baldachin lautstark und wortgewandt vorgetragen wurden oder in den Äther hinaus hallten. Mit Hilfe des visuellen Sprachprogramms PureData (Open-Source-Software für die Erstellung interaktiver Computermusik und multimedialer Werke) und seinem wuchtigen, dröhnenden Schlagzeugspiel schaffen Benjamin und Bassist Arnaud ein effektives Drehmoment für Kaitos Auseinandersetzung mit seinen Wurzeln und dem Leben in einem gänzlich anderen bush of ghosts. Dort hört man nicht nur supergeladene Spuren von Post-Punk, sondern auch Tribal, Free Jazz, Prog und Industrial-Electronica. 

In einem Interview für die Trial & Error Collective-Website erläuterte Kaito kürzlich seine Rolle, seine Stimme und seine einzigartigen lyrischen Sprichwörter-Themenkomplexe: „All these proverbs already exist. They are tools for teaching. They are intended to make people think without hitting them head on. In Burkina Faso we use proverbs. In my village the griots use proverbs. We prefer that people think for themselves rather than doing it for them. They go and discuss with the help of proverbs around a coffee or at the water’s edge. They use their own brain. If the proverb is nice to listen to, they will remember it. We don’t like it when people talk a lot. Tradition has used this so that people retain the proverbs and when a situation arises they will understand and use them. The proverb also makes the link between nature and humans.“

Kaitos Griot-Abstammung und die Motivation der Band sind eine Flucht aus der Sucht der Online-Welt, eine Rückbesinnung auf das Ritual einer Live-Performance. Man könnte es eine Interaktion zwischen Menschen aus Fleisch und Blut nennen. 

Obwohl es in einer Studioumgebung entstanden ist, werden dieses Gefühl und die Dynamik des Augenblicks auf diesem Album authentisch wiedergegeben. Im selben Interview umreißt Benjamin den Prozess der Gruppe und merkt an, dass zusätzlich zu den akribisch arrangierten Songstrukturen:  „There was an improvised stage in the studio with Kaito and me, and then this material was worked on, it went into the digital mixer, to be enriched with computational sourdough.“

In der Praxis mündet das in den interdimensionalen, lockeren Basslauf von Sunguru, über das die Band sagt: „While the rest of the album’s repertoire is based on cryptic proverbs and the wisdom of griots, this one is a love song. The song takes place at the village market. Kaito wants to carry his beloved on his back, a strange carriage, so that all admire them. The song is based on the combination of a crackling snare drum and a heady melody. Producer Benjamin Chaval composed a score of electronic sounds and synthesizer lines, which sometimes add a slightly dissonant touch. The whole thing aims to reinforce a certain feeling of strangeness.“

Das Stück Douaga zeichnet sich aus durch wilde Hysterie und die Gefahr der progressiven Dekonstruktion. In diesem Post-Punk-Modus konvergiert ein Jah Wobble-artiger, pochender Esoterik-Bass mit himmlischeren Manifestationen auf Goomde, während Eya eine gewisse Scott Walker-artige atmosphärische Düsternis und erdige Soul-Trommeln aufweist.

Avalanche Kaito sind Metall und Fleisch, Blut und Biometrie, Tradition und Wandel, alles verpackt in einem chaotischen road trip. Die offene Straße, der Weg von Kaitos Heimatdorf Lankoé im Binnenland von Burkina Faso nach Brüssel erweist sich als unendlich viel wichtiger, radikaler und kreativer als das Ziel selbst.