NEUES ALBUM VON Gaye Su Akyol

Gaye Su Akyol kündigt ihr neues Album Anadolu Ejderi (Anatolischer Drache) an, das am 25. November 2022 via Glitterbeat erscheint. Am heutigen 19. Oktober erscheint die Single Sen Benim Mağaramsın. Die Mischung aus türkischer Psychedelia, ermächtigenden Texten und retro-futuristischen Klängen macht ihre Vision persönlicher und kompromissloser als je zuvor.

Courage. Tapferkeit. Wagemut. Das sind die Schlagworte, die die türkische Sängerin Gaye Su Akyol bei der Arbeit an Anadolu Ejderi, ihrem ersten Album seit vier Jahren, geleitet haben.
Akyol, die für ihre aufregende, innovative Mischung aus türkischer Psychedelik und Volkslied, Surfmusik und westlichem Rock der 90er Jahre gepriesen wird – ein globalistischer Sweet Spot, in dem die anatolische Musikheroine Selda Bağcan auf Tuchfühlung mit Kurt Cobain ging -, war nach einer Zeit unermüdlicher Tournees bereit, an der Erweiterung ihrer Vision zu arbeiten.

“I was tired of touring“, gibt sie zu. „I really needed a break, some fresh air.”

Die Covid-Pandemie machte eine Pause möglich, wenn auch aus falschen, unerfreulichen Gründen.

“With everything closed, we all had to sit at home. The isolation gave me time to write. I ended up with over 100 songs. I tried to broaden the palette: to start with Anatolian folk and pop, then see how to add African and Middle Eastern sounds, the soul revolution, disco, and rock from other cultures. The music is still quite psychedelic, but it connects to different areas, all the pop genres I love so much. The hard part was picking the right songs and the correct order.”

Die Songs auf Anadolu Ejderi sprühen vor Feuer. Das Album geht Risiken ein, die Texte sind eine Auseinandersetzung mit der Politik in der heutigen Türkei. Das Persönliche ist ein wichtiger Teil davon.

“In a political climate where a woman’s commitment to her passion, to falling in love, to her sexual identity is revolutionary enough, she is deeply passionate and able to express her love freely”, erklärt Akyol. “It would have been easy to sit in the comfort zone of the past.”

Stattdessen hat sie all diese Barrieren überwunden. Anadolu Ejderi erinnert an die Schönheit Istanbuls vor den Putschen, die den Ort und das Land veränderten, und ist ein Album, das voller Möglichkeiten ist und in das Unerwartete eintaucht. Das zeigt sich z.B. in der Tanzlust, mit der ein Disco-Part in den Titeltrack eingeschoben wird, oder in der schlichten Schönheit der akustischen Eröffnungen von Yaram Derin Derin Kanar und Biz Ne Zaman Düşman Olduk, die wie Schocks auf das System wirken. Als wir dachten, wir wüssten, was wir von Gaye Su Akyols Musik erwarten können, haben sich die Dinge geändert.

“This is the most freeing thing I’ve done”, reflektiert sie. “The lyrics, the songs, this is music I need to hear. It’s a manifesto: I’m back with rock’n’roll, fused with post-punk, stoner rock, Turkish psychedelia, blood sweat and tears, all crowded with herds of wild horses. This is a time mission. It takes you where you want to go.”


Akyols Texte locken, verwirren und überraschen oft, wie beim letzten Stück des Albums, Içinde Uyanıyoruz Hakikatin („Wir wachen in der Realität auf“). Nach einem bedrohlichen Keyboard-Auftakt singt sie die erstaunlichen Zeilen „I’m Syd Barrett of Pink Floyd/ Brian Jones of Rolling Stones“. Musikalisch kommt das Stück einem geradlinigen, eher westlichen Song am nächsten, doch Akyol merkt an: “you also hear non-existent Turkish folk”. Die Zeile „Anadol ist meine Zeitmaschine, ich hielt 1980 am 12. September an“ bringt alles auf den Punkt und ist ein Lamento über ihr Land vor dem Putsch in jenem Jahr.

Akyol ist eine scharfsinnige Beobachterin der Umbrüche in ihrem Land. Die Dinge, die die Geschichte uns lehrt, sind ihr wichtig. Auf den ersten Umbruch von 1980 folgte 1997 ein weiterer, und ihr Schrei nach dem, was verloren gegangen ist, klingt in ihren Texten mit. Die politischen Anspielungen sind oft vorsichtig versteckt, aber sie sind da. Der Schmerz ist jedoch sehr greifbar in Zeilen wie „Ich bin eine olympische Schwimmerin in einem Becken voller Rasierklingen“ oder „In meinem Herzen herrscht ein kalter Krieg / Waisenkinder in den Straßen“. Dies sind Schreie aus der Seele.

“Things were lost in a city we loved”, sagt sie, “Politically and economically we’re witnessing a country in collapse. There is a lost culture in this country, so much has gone. There are lots of memories of pain in this country, and pain is bigger than anything. I had a chance to see the beauty of the past. Now it’s going down and down, tearing at the deep beauty of this country.”

Doch auf Anadolu Ejderi erhebt sich der anatolische Drache, der an den alten Ruhm anknüpft und sich breit macht.

“It’s the awakening of a mythological dragon from a deep sleep“, sagt Akyol. “A resistance that reiterates that the only remedy against pure evil is collective action.”


Es ist eine Weiterentwicklung der Musik, die sie zuvor gemacht hat, fügt sie hinzu. “I love to put imagination in my music, to take listeners to places they haven’t been before. It has everything that I have in my head, lyrically, musically, everything I love most. It goes wider and wilder.”

Das zeigt sich auch in der Instrumentierung, die eine engere Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart der Türkei herstellt. Das Trio aus Rockgitarre, Bass und Schlagzeug wird nun von traditionellen Instrumenten wie Geige, Oud, Elektro Baglama Saz, Cümbüş und Sazbüş begleitet.

“I was putting different materials together”, erinnert sie sich. “You don’t feel like anything is safe, and that was what I needed. Lyrically, musically, this is a freedom. It’s a manifesto. As a lover of Turkish psychedelia, I knew I had to go deep and extend genres. I feel like a scientist as it turned into a chemical reaction that expanded the boundaries of genres I was influenced by.”

Es ist ihr großer Schritt, ihr Sprung in etwas, das mehr geglaubt als gewusst wird.

Mit Anadolu Ejderi, sagt Akyol, “I’m telling stories for the future.” Dazu braucht es Mut. Mut und Kühnheit. Hören Sie zu, und Sie werden das Aufheulen des anatolischen Drachens hören.